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Mein längster Tag
Teil 1
Am 16.08, ich hab extra noch mal nachgeguckt, machte ich mich bereits auf den Weg nach Oberstdorf. Das ist von mir knapp 600km entfernt.
Dort angekommen, bezog ich Basis. Wie vom Timmendorfer Strand gewohnt einfach, im Auto und wie schon vermutet wurde das bekackte Wetter einfach nicht besser.
Ich habe zwischendurch in einem Hotel gearbeitet, Blumenkästen von den Hotelzimmern gepflegt, einmal Rasen gemäht, Leihräder gewartet und abends beim Bier Geschichten über das Eingangradfahren erzählt. Dafür bekam ich dann ab und an ein Quartier mit Gästebett…
Erst am 28. machte ich mich dann auf und ich war mir sicher, dass Warten hat sich gelohnt.
Ein stabiles Hoch erstreckte sich über die gesamte Strecke und es sollte mindestens eine ganze Woche halten.
28.08.2008 / 5:30 Uhr START!!!
Direkt ab Oberstdorf/ direkter Einstieg Richtung Schrofenpass.
Ich will es ruhig und gelassen angehen lassen. Ist ja klar, dauert ja ne ganze Weile bis man die 400 Kilometer abgespult hat. Teil ich sie halt auf die Kräfte auf meiner, dieser ewig langen in Gedanken schon zig tausend Mal durchgeführten Reise.
Ich selbst räume mir zu diesem Zeitpunkt eine minimale 30%-Chance ein überhaupt anzukommen. Also gut, mit den Ressourcen heisst es also sehr pfleglich umzugehen. Viele Gedanken begleiten mich auf den Weg zur ersten Rampe Richtung Speicherhütte.
Um 6:00 Uhr finde ich mich dann am Golfplatz wieder fahre runter zur Ski-Schanze und über eine kleine Fahrstrasse rauf zur Speicherhütte.
Eigentlich wollte ich das letzte dreckssteile Stück ja schieben (von wegen Kräfte einteilen und so) aber oben standen schon zwei Biker und da drücke ich den schweren Gang halt noch bis oben hin durch.
Wasser auffüllen, Powerbar aufreißen, Uhrzeit notieren weiter… (irgendwie treibt es mich voran)
Auf dem Weg zum Schrofenpass entdecke ich zwei neue Aluleitern und neue Stufen, die den Aufstieg vereinfachen.
Beim Aufstieg sage ich zu einem anderem Biker: "Und in zwei Jahren ist dann alles geteert und die Leute können dann auch mit ihren Inlineskates hier rüber." Es scheint, dass ich gute Laune habe. Alles läuft wie am Schnürchen.
7:05 Uhr - ich stehe bereits oben am Schrofenpass und pfeife drauf, mir Zeit zu lassen um die schöne Aussicht zu geniessen.
Ganz im Gegenteil, ich verliere keine Zeit um in Richtung Lech weiter zu kommen.
In Warth zeigt der Zeiger 8:00 Uhr und nach dem Wasserfüllen finde ich mich bereits eine viertel Stunde später in Lech wieder.
Wahnsinn, es läuft gut. Aber, was heisst gut? Viel besser als ich es mir jemals ausmalen durfte... Es liegt wahrscheinlich daran, dass ich das erste mal ganz alleine mit meinem Singlespeeder unterwegs bin und ich bis dato noch nie feststellen durfte wie flüssig und schnell ich vorwärts kommen kann ohne auf eine Gruppe Schaltungsfahrer warten zu müssen.
Ab Lech geht es rauf zur Freiburger Hütte, das Etappenziel des ersten offiziellen Tourentages.
Durch den Ort Zug zünde ich das erste Powergel. Die Strecke kommt mir alleine viel länger vor als in der Gruppe.
Auf dem langen Berganstück habe ich Zeit. Ich fange an mir auszumalen, wie weit ich kommen könnte, wenn ich dieses wahnwitzige Tempo beibehalten würde. Bis zur Heilbronner Hütte geht schon klar, noch runter bis Galltür, Ischgl? Oder gar noch hoch bis zur Heidelberger Hütte?
Ich fange an zu rechnen, betrachte mich und meine Leistung, wäge alles immer wieder ab. Die Vorstellungen verlaufen sich aber spätestens bei dem Gedanken, die Val D'Uina Schlucht des Nachts zu gehen um noch bis nach Italien zur Sesvenna Hütte zu kommen... Es blockiert jedes Mal an der gedanklichen Überwindung des Fimberpasses im Dunkeln.
Zu grossen Respekt vor dem alleinigen Abstieg über die Steilstufen nach Ramosch lassen das Vorhaben, auch noch eine Nacht in die Tour zu integrieren, jedes Mal scheitern.
Um 9:55 Uhr befinde ich mich bereits an der Freiburger Hütte. Ich bin wieder sehr überrascht wie schnell ich alleine reise und komme so langsam in einen sonderbaren Zustand in einen Zustand des Rausches.
Aller Planung zum trotz treibt es mich voran. Ich gönne mir nichts, keine Pause an der Hütte, gehe noch nicht einmal rein um die halbvolle Flasche mit frischem Wasser auf zu füllen. Ich weiss zu diesem Zeitpunkt noch nicht, was da noch alles auf mich zukommen wird und höre einfach auf mein Gefühl was mich immerzu antreibt weiter voran zu machen.
Ich mache schnell zwei Fotos und mich sofort wieder auf den Weg.
Selbige Stelle, ca. 8 Wochen zuvor:
Ein recht schwieriger Abstieg nach Dalaas steht bevor. Viele Stücke sind unter Konzentration fahrbar aber es locken immer wieder Stellen, die einen vom Bike holen wollen. Einen Sturz kann ich mir überhaupt nicht leisten, also darf ich auf dem gesamten Alpencross nicht einmal die Konzentration verlieren.
Die Abfahrt war trotz der paar Schiebepassagen saugeil. Ein Blick auf die Uhr bestätigt meinen euphorischen Zustand. Ich bin gepackt von der Idee, meine Grenzen auf eine andere, mir interessanter erscheinende Art auszuloten.
Ich will es wissen. Wie weit kann ich gehen/ fahren bis meine Kräfte völlig erschöpft sind?
Riva ist nun, nach nur einem Vormittag unterwegs sein, nicht mehr das Ziel der Reise.
Ich fahre die Strecke immer und immer wieder mental ab und rechne mir aus zu welcher Zeit ich mich wo befinden könnte. Das alles mit der ungefähren Einplanung der schwindenden Kräfte. Ein Spiel, ja ein grossartiges Spiel zwischen Dir, den Elementen Berg, der Zeit und der Dunkelheit...
Dalaas liegt schnell hinter mir und der Kristbergsattel zieht sich heute unbarmherzig in die Länge.
Ich muss keine Rücksicht mehr auf die Einteilung der mitgeschleppten Powerbars oder Gels nehmen und drücke mir die Dinger so gut es geht rein. Das Wasser reicht nicht ganz bis oben und es ist heiss. Ich muss besser aufpassen.
Um halb zwölf bin ich oben. Die Gasthäuser laden zum Essen ein. Ich habe einen Bärenhunger und entschliesse mich, noch vor dem Erreichen des Hasahüslis, dieses riesige Loch in meinem Bauch zu schliessen und mache eine kurze Pause.
Bei der Bestellung weise ich auf meine Eile hin und in der Zeit der Zubereitung wechsel ich auf dem WC die Kontaktlinsen, putze mir vorsorglich schnell die Zähne und fülle Wasser auf.
12:20 Uhr weiter. Die schonende Fahrt über die Höhenloipe kommt mir nach der Pause gelegen und die Abfahrt zum Hasahüsli gerade recht.
Auf 1.500 – 1.700 hm sind es um die 10 – 17 Grad. Gut auszuhalten, aber die Sonne färbt meine Haut schon ansehnlich rot.