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Mein längster Tag


Teil 3


Die Zeit drängt. Doch bevor es wieder steil bergan Richtung Schweiz und somit zur Heidelberger-Hütte geht, renne ich noch schnell in einen Supermarkt, nehme das Bike wie selbstverständlich mit in den Laden und kaufe eine kleine Notration, die aus Pumpernickel, Käse, Schinken und einer Tafel Ritter-Sport besteht. Ersatzbatterien für die Stirnlampe, Cola auf Ex und Ice-Tee mal für einen anderen Geschmack in der Flasche.


Nur, wo ist die sch**** Flasche hin??? Mist, ich habe keine Zeit für solche Spielchen. Ich versuche klar zu denken und fahre zurück in den Ort, wo ich beim Durchfahren einen Bikeshop sichtete. Ich brauche eine neue Trinkflasche und ich habe keine Ahnung, wo ich denn bloss meine alte gelassen habe? In den Tune-Wasserträger passen ja nur asymmetrische Flaschen hinein. Also in einer Blitzaktion einen neuen Aluträger mit Standardflasche verbaut. Das kostet mich Nerven und - schlimmer noch - mindestens 10 Minuten meiner ach so wertvollen Zeit.


Um 17:00 Uhr geht es auf die steile Fahrstrasse hoch bis zu letzten Seilbahnstation. Ich schraube mich in Schlangenlinien von einer Fahrbahnseite zur anderen immer weiter hinauf. Die Sonne verschwindet teilweise hinter den hohen Bergen und es wird sofort deutlich kühler.


Dann endlich – Bodenhaus – ein neues Gatter und Pferde begrüssen einen völlig fertigen mipmip vor dem alten, im Fimbatal gelegenen, Zollhaus.



Ich bin froh, das die Sonne doch noch gelegentlich in Erscheinung tritt.


Nach einer Stunde und 20 Minuten erreiche ich dann endlich, in einem merkwürdigen, etwas ängstlichen aber dennoch überaus euphorischen Zustand die Heidelberger-Hütte.


Biker, biertrinkend auf der Terasse stehend, begrüssen mich bei den letzten Sonnenstrahlen "als Letztankömmling". Ich verstehe aber ihre Sprache nicht cool und verliere keine Zeit um wenigstens ein Foto zu schiessen und die Flasche mit dem frischen Quellwasser auf zu füllen.


Den Pass vor Augen, mit gleichzeitigem Sonnenuntergang hinter den hohen Fluchthörner hält mich jetzt nichts mehr.



18:20 Uhr. Die Biker schauen mir noch lange erstaunt und ungläubig nach, als ich mich um diese Zeit mutterseelensolo auf den Weg hoch zum Pass mache.


Schon beim Einstieg war mir eins klar: ich muss es schaffen. Es gibt ab hier kein zurück mehr und es darf jetzt um Gotteswillen nichts mehr passieren. Hier oben ist um diese Uhrzeit kein Mensch mehr und ich male mir als Belohnung jetzt schon aus, eine großzügige Pause in dem von Achim beschriebenen Gasthof in Sur En zu machen.


Die Sonne geht schnell hinter den Fluchthörnern unter und der grosse, kalte Schatten ist mir auf den Fersen und verfolgt mich.


Bei einem letzten Blick zurück runter zur Heidelberger liegt sie bereits im Schatten.


Es ist nur noch eine Kopfsache und die Willenskraft, einfach immer weiter zu gehen, das Bike zu schultern und das ausgemachte Ziel zu erreichen.


Erstmalig in den Alpen setzt nun auch mir die dünne Luft zu. So fühlt sich das also an. Nicht angenehm in dieser Situation, es bremst einen zusätzlich aus.


Der Schatten hat mich schnell ein. Es wird eisiger. Etwas anziehen muss ich dennoch nicht. Die Anstrengung hält mich weiterhin auf Betriebstemperatur.


Um 19:15 Uhr erreiche ich noch im Hellen den Pass - ein nicht zu beschreibendes Glücksgefühl überkommt mich "für eine kurze Zeit".


Der eisige Wind treibt mich schnell weiter. Der Abstieg ist sehr lang und ich muss mich sputen, will ich es aus dem Geröll und über die Steilstufen noch im Hellen auf die Teerstrasse nach Ramosch schaffen.


Ich bewege mich mit gebündelter Konzentration zwar einigermassen zügig aber mit aller Vorsicht hinab.










Lange lange ja ewig dauert es bis ich endlich dem hochalpinen Gelände entkomme.


Es war sprichwörtlich eine Punktlandung. Mit den allerletzten Sonnenstrahlen und ebenso bescheidener Restkraft, erreiche ich das fast ausgetrocknete Flussbett.


Geschafft! Eine wahre Punktlandung und ich habe hier, kurz vor Ramosch, mein mir heute morgen weit gestecktes Ziel doch tatsächlich erreicht.


Bereits mit Licht (Danke an Supernova für die geile Triple-Dynamolampe) geht es rasant die Abfahrt hinunter nach Sur En.


Kein störendes Auto, kein Spaziergänger fordert die Finger auf die Bremshebel zu bedienen. So versetzt es mich bei hohen Geschwingigkeiten und dem geilen Bauchgefühl des Erreichten in einen Zustand des Fliegens.


Es folgt aber noch eine lange Nacht durch die Val d'Uina.